Die Beihilfe ist zahlungspflichtig, wenn die Abrechnung auf einer Auslegung der GOZ beruht
Das sächsische Oberverwaltungsgericht hat mit seinem Urteil vom 05.07.2019 klargestellt, dass Unklarheiten, die der Kostenträger selber nicht beseitigt hat, ausschließlich zu seinen Lasten als Erstattungspflichtigem gehen; in diesem Fall die Beihilfestellen.
Umstrittene Abrechnungswege gehen zu Lasten der Beihilfe
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts – welches die höchste Instanz für die Beihilfe ist – verzichten die beihilferechtlichen Vorschiften auf eine eigene Konkretisierung des Begriffs „angemessen“. Dementsprechend bestimmt sich die Beihilfepflicht danach, ob die durch den Zahnarzt erfolgte Abrechnung den Voraussetzungen der GOZ entspricht. Ist eine zahnärztliche Rechnung bereits gerichtlich bestätigt, weil beispielsweise der Zahnarzt ein Urteil gegen den Patienten zu seinen Gunsten erwirkt hat, steht der Zahlungsanspruch des Patienten gegenüber seiner Beilhilfestelle ebenfalls fest. Die Beihilfefähigkeit ist allerdings auf den „Schwellenwert des Gebührenrahmens“ beschränkt. Für einen Faktor über 3,5 erhält der Beihilfeberechtigte folglich keine Erstattung. Darüber hinaus kann über beihilferechtliche Vorschriften eine Einschränkung der Leistungspflicht für bestimmte Inhalte bestimmt werden
Das Urteil
Das Sächsische Oberverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 05.07.2019 (Az. 2 A 301/17) diese Grundsätze noch einmal wiederholt und deutlich ausgeführt:
„Somit knüpft die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für zahnärztliche Leistungen an den Leistungsanspruch des Arztes an und setzt grundsätzlich voraus, dass dieser seine Leistungen bei zutreffender Auslegung der Gebührenordnung in Rechnung gestellt hat… Für die Entscheidung, ob nach den Maßstäben des Beihilferechts Aufwendungen für ärztliche Leistungen angemessen sind, ist die Auslegung des ärztlichen Gebührenrechts durch die Zivilgerichte maßgebend… . Ist der Beamte
vom Zivilgericht rechtskräftig zur Begleichung der Honorarforderung eines Arztes verurteilt worden, ist die Vergütung regelmäßig angemessen im Sinne des Beihilferechts… . Ist eine Entscheidung im ordentlichen Rechtsweg nicht ergangen, hat der Dienstherr zu prüfen, ob die vom Arzt geltend gemachten Ansprüche nach materiellem Recht begründet sind… .“
Basiert die konkrete Abrechnung des Zahnarztes auf einer vertretbaren Auslegung der zahnärztlichen Gebührenordnung, ist die Beihilfe zahlungspflichtig und geht die unterschiedliche Auslegbarkeit zu Lasten der Beihilfe. Das gilt insbesondere in den Fällen, in denen die Beihilfestelle nicht rechtzeitig für eine Klarstellung über die Beihilfefähigkeit gesorgt hat, obwohl sie dies hätte veranlassen können.
Das Sächsische Oberverwaltungsgericht führt hierzu aus:
„Aufwendungen für ärztliche oder zahnärztliche Leistungen, deren Berechnung
auf einer zweifelhaften Auslegung der einschlägigen Gebührenordnung beruht,
sind beihilferechtlich schon dann als angemessen anzusehen, wenn der vom Arzt
in Rechnung gestellte Betrag bei objektiver Betrachtung einer zumindest vertretbaren
Auslegung der Gebührenordnung entspricht und der beihilfepflichtige Dienstherr
nicht rechtzeitig für Klarheit über seine Auslegung gesorgt hat. Mit Urteil vom
19. Oktober 2017 - 2 C 19.16 -, … . hat das Bundesverwaltungsgericht hierzu
ergänzend ausgeführt: Dieser Vertretbarkeitsmaßstab folgt aus der
Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber dem Beamten. Ihm liegt die Erwägung
zugrunde, dass objektive Unklarheiten der Gebührenordnung nicht zulasten des
Beihilfeberechtigten gehen sollen, indem dieser vor die Wahl gestellt wird,
entweder auf eigenes Risiko eine rechtliche Auseinandersetzung über die
objektiv zweifelhafte Rechtsposition zu führen oder den an sich auf die
Beihilfe entfallenden Anteil des zweifelhaften Rechnungsbetrages selbst zu
tragen. Allerdings ist in der Regel davon auszugehen, dass die Gebührensätze der
ärztlichen Gebührenordnungen, insbesondere durch die gegebenen Erläuterungen,
eindeutig sind und sowohl von der Beihilfestelle als auch vom Gericht ohne
Weiteres mit eindeutigem Ergebnis ausgelegt werden können. Objektiv
zweifelhafte Gebührenvorschriften, bei denen es ernsthaft widerstreitende
Meinungen über die Berechtigung des Gebührenansatzes geben kann, sind
demgegenüber der Ausnahmefall (BVerwG, Urteile vom 17. Februar 1994 - 2 C 10.92
- BVerwGE 95, 117 <119> und 2 C 17.92 - …). Diese Erwägungen greifen
freilich nur durch, soweit auch der Dienstherr es bei der Unklarheit belassen
und nicht durch konkrete, veröffentlichte Hinweise auf die gebührenrechtliche Zweifelsfrage
und seinen Rechtsstandpunkt dazu den Beihilfeberechtigten Gelegenheit gegeben
hat, sich vor der Inanspruchnahme der Behandlung auf diesen Rechtsstandpunkt einzustellen
und sich gegebenenfalls dem Arzt oder Zahnarzt gegenüber darauf zu berufen.
Denn die Dienstherren können auch und gerade bei zweifelhaftem Inhalt der
Gebührenordnungen ein berechtigtes Interesse daran haben, bestimmten häufiger wiederkehrenden,
von ihnen als überhöht angesehenen Gebührenforderungen von Ärzten oder
Zahnärzten an Beihilfeberechtigte entgegenzutreten und gegebenenfalls eine rechtliche
Klärung herbeizuführen, wenn sie dies, etwa wegen des finanziellen Umfangs der
sich zu der betreffenden Streitfrage summierenden Einzelbeträge, für zweckmäßig
erachten. Hierzu steht zwar den Dienstherren - anders als den einzelnen
Beihilfeberechtigten - insbesondere die Möglichkeit offen, die Bundesregierung
als Verordnungsgeber auf häufiger auftretende Zweifelsfragen anzusprechen und in diesen Punkten
auf eindeutige Regelungen in der Verordnung hinzuwirken. Aber auch solange und
soweit solche Regelungen nicht erreicht werden, kann den Dienstherren die
Möglichkeit der rechtlichen Klärung dann nicht abgesprochen werden, wenn sie
selbst für rechtzeitige Klarheit über ihren Rechtsstandpunkt gesorgt und die
Beihilfeberechtigten Gelegenheit gehabt haben, sich darauf einzustellen (BVerwG,
Urteile vom 17. Februar 1994 - 2 C 10.92 – BverwGE 95, 117 <119> und - 2
C 17.92 - … ).“
Kommentar
Durch diese Entscheidung wird der Grundsatz unterstrichen, dass Unklarheiten, die der Kostenträger selber nicht beseitigt hat, ausschließlich zu seinen Lasten als Erstattungspflichtigem gehen; in diesem Fall die Beihilfestellen. Der beihilfeberechtigte Patient hingegen ist zu schützen, was bei einem Beihilfeberechtigten schon alleine aus der so genannten „Fürsorgepflicht“ des Dienstherren zu schließen ist. Der Dienstherr kann bei umstrittenen Abrechnungspositionen unschwer eine klare Haltung und die von ihm akzeptierte Abrechnungsmodalität kommunizieren, so dass erst keine Unklarheiten entstehen können. Diese Klarstellung muss allerdings formgerecht in einem entsprechenden Runderlass bekanntgegeben werden.
Handlungsempfehlung
Insbesondere bei umstrittenen Abrechnungspositionen ist es für die Praxis ratsam, diese mit Literatur und / oder Urteilen und Empfehlungen belegen zu können. Zudem sollte jede einzelne Abrechnungsmodalität im Bedarfsfalle fachlich erläuterbar sein, so dass der Gebührenansatz transparent und nachvollziehbar ist.
Das bedeutet freilich nicht, dass in der Rechnung entsprechende Begründungen oder gar Nachweise geführt werden sollten. Das wäre weder erforderlich noch praktikabel. Es kommt nur darauf an, in einem etwaigen Ablehnungsfall durch die Beihilfestelle hilfreiche Begründungen aufweisen zu können. Unberührt bleibt hiervon die allgemeine Begründungspflicht bei der Faktorsteigerung, die hiervon unberührt bleibt.
Dr. Susanna Zentai